Über Ask an Expert

„Ask an Expert“ bietet Patient:innen die Chance, ihre individuellen Fragen zur seltenen Erkrankung Polycythaemia Vera (PV) an erfahrene Experten in dieser Indikation zu stellen. Denn das Leben mit PV stellt Betroffene vor viele Herausforderungen. Oft fühlen sich Patient:innen unsicher hinsichtlich des Krankheitsverlaufs oder verfügbarer Behandlungsmöglichkeiten. Dann stellen Sie jetzt Ihre Fragen zur PV an unsere Experten.

Die Unternehmensgruppe AOP Health, die sich als europäischer Pionier dem Bereich integrierter Therapien für seltene Erkrankungen und Intensivmedizin widmet, bietet die Reihe „Ask an Expert“ mit ausgewiesenen Experten auf dem Fachgebiet der myeloproliferativen Erkrankungen an.

Patientensprechstunde am 21. November 2022.

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Willkommen und Einleitung

Diagnose (Knochenmarkspunktion, Differentialdiagnostik, maskierte PV, Mutationslast bei Diagnose)

Sekundäre Myelofibrose

Therapie (Aderlaß, ab wann medikamentös behandeln, thromboembolische Ereignisse)

 

Interferone/BESREMi® im Detail (Anwendung, Begleittherapie, Verträglichkeit etc.)

 

Kombinations- & Folgetherapien

 

Mutationslastbestimmung

 

Rolle von Jakavi®, Registerstudien

 

Schlussworte

Nächster Termin:

Experten beantworten Ihre Fragen zur Erkrankung Polycythaemia Vera.
Patientensprechstunde am 29. Februar 2024 von 17 bis 18 Uhr.

Einleitung

In der Patientensprechstunde „Ask an Expert“ am 21. November 2022 beantworten die Experten Prof. Dr. Andreas Reiter, Leiter des Exzellenzzentrums für „Myeloproliferative Neoplasien“ Mannheim und Prof. Dr. Martin Griesshammer, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und Palliativmedizin am Johannes Wesling Klinikum Minden Fragen von Patienten, die an Polycythaemia Vera (PV) erkrankt sind.

Im Gesprächsverlauf werden mögliche Behandlung und Therapieoptionen im Zusammenhang mit der Erkrankung Polycythaemia Vera besprochen.

Diagnose
Im ersten Teil der Patientensprechstunde wird auf Fragen zur Knochenmarkpunktion eingegangen. Mehrere Patienten zeigen Interesse an der Differentialdiagnose zwischen der Polycythaemia Vera und der primären Myelofibrose insbesondere der präfibrotischen Myelofibrose.

Dazu die Meinung der Experten: Bei eindeutigen Fällen der PV, mit einer vergrößerten Milz und einem hohen Hämatokrit-Wert braucht man nicht unbedingt eine Knochenmarkpunktion. Bei nicht so eindeutigen Fällen ist eine Knochenmarkpunktion jedoch notwendig, berichtet Prof. Griesshammer.

Weiterhin betont er, dass eine Knochenmarkpunktion in der Regel erforderlich ist, um eine genaue Diagnose stellen zu können.

Problematisch ist es, wenn eine PV nicht erkannt wird, weil sie zunächst als Essentielle Thrombozythämie (ET) oder präfibrotischen Myelofibrose diagnostiziert wird. Dies ist besonders schwierig, da es spezifische Medikamente und Behandlungsansätze für Polycythaemia Vera (PV) gibt, die für andere Erkrankungen jedoch nicht angewendet werden können.

Es kann vorkommen, dass Patienten zunächst mit ET diagnostiziert werden, sich aber nach erneuter Untersuchung herausstellt, dass tatsächlich eine PV vorliegt. Dies eröffnet eine völlig andere Welt in Bezug auf die Behandlungsmöglichkeiten.

Die Experten betonen die Bedeutung einer korrekten Diagnosestellung und einer möglichen Diskrepanz zwischen Befunden und Annahme der Erkrankung.

Des Weiteren wurde der Begriff der maskierten PV besprochen. Dabei handelt es sich um eine PV, die sich durch einen Eisenmangel mit einem nicht erhöhten Hämatokrit-Wert präsentiert. Dies kann v.a. bei jungen Frauen vorkommen, die durch ihre Monatsblutungen viel Eisen verlieren. In diesem Zusammenhang ist den Experten auch wichtig, die JAK2 V617F-Mutationslast zu bestimmen. Das Gesamtbild eines Patienten ist für eine genaue Diagnosestellung entscheidend. Dazu gehören neben der Zellularität und eine mögliche Faserbildung im Knochenmark, die Milzgröße und das Blutbild, inklusive der Thrombozyten. Weitere Faktoren, wie das Alter des Patienten und dessen Risikoprofil (z.B. Diabetes mellitus oder arterielle Hypertonie) runden das Bild ab, so Prof. Reiter.

Zusammenfassend wird festgehalten:

  • Bei eindeutigen Fällen einer PV ist eine Knochenmarkpunktion nicht zwingend notwendig
  • Eine Knochenmarkpunktion ist jedoch in der Regel erforderlich, um eine genaue Diagnose stellen zu können.
  • Die korrekte Diagnosestellung ist entscheidend für die richtige Behandlung.
  • Der Eisenstatus sollte geklärt werden, um eine maskierte PV auszuschließen.
  • Das Gesamtbild des Patienten ist für eine korrekte Diagnosestellung zu betrachten.

Therapie
Prof. Reiter betont, dass ASS und Aderlass als Standardbehandlungen für die meisten Patienten angewendet werden. Er stellt die Frage, ab wann eine zytoreduktive Therapie begonnen werden sollte.

Prof. Griesshammer erklärt, dass Symptome wie z.B. der Juckreiz und Veränderungen im Blutbild, aber auch die Milzgröße wichtige Indikatoren sind. Es gibt einen Fragebogen, um das Ausmaß von Symptomen zu bewerten. Dabei werden pro Symptom Punkte vergeben. Wenn insgesamt mehr als 20 Punkte gezählt werden, spricht man von einer hoch symptomatischen Belastung. Er empfiehlt bei jeder Visite die Symptome mittels des Fragebogens objektiv zu messen, auch um einen Verlauf erkennen zu können.

Weiterhin erwähnt Prof. Griesshammer, dass Patienten ohne relevante Symptome vorerst nur mit Aderlass und ASS behandelt werden. Allerdings wird die frühe Intervention mit Interferon immer häufiger empfohlen, insbesondere bei jüngeren Patienten.

Die Entscheidung zur Therapie sollte pragmatisch sein und verschiedene Aspekte berücksichtigen, einschließlich der Symptome, des Blutbildes und anderer individueller Faktoren, ergänzt Prof. Reiter.

Die Diskussion konzentriert sich auch auf die Nebenwirkungen der verschiedenen Behandlungsoptionen. So kann unter Hydroxyurea in der Langzeiteinnahme ein erhöhtes Risiko für weißen Hautkrebs oder Geschwüre auftreten. Interferon wird als eine mögliche Option v.a. für junge Patienten betrachtet, obwohl ebenfalls Nebenwirkungen auftreten können. Die Entscheidung zu einer Therapie sollte in enger Absprache mit dem Patienten getroffen werden, wobei die individuellen Umstände und Vorlieben berücksichtigt werden sollten.

Prof. Griesshammer fragt nach Intoleranz gegenüber Aderlass. Daraufhin erklärt Prof. Reiter, dass sich einige Patienten besonders nach einem Aderlass unwohl fühlen und eine steigende Abneigung gegenüber dem Verfahren entwickeln, insbesondere aufgrund von chronischer Müdigkeit und Eisenmangel.

Im Zusammenhang mit der Behandlung werden im weiteren Verlauf folgende Informationen zwischen den Gesprächspartnern ausgetauscht:

  • Der Aderlass zielt nur auf die Reduzierung der roten Blutzellen ab und hat keine Auswirkungen auf weiße Blutkörperchen, Blutplättchen oder eine vergrößerte Milz.
  • Die Entscheidung für eine bestimmte Therapie ist eine pragmatische Entscheidung, die das Gesamtbild des Patienten einschließt.
  • Ein jetzt verfügbares Medikament, ein Interferon, kann die Symptome verbessern, die Aderlässe verringern und die Kontrolle über Leukozyten und Thrombozyten ermöglichen. Es wurde auch festgestellt, dass es den Übergang in eine fortgeschrittene Krankheitsphase verzögern oder vielleicht sogar verhindern kann.
  • Ein Hauptgrund für eine medikamentöse Therapie ist die Verhinderung von thrombotischen Komplikationen wie Thrombose, Lungenembolie und Herzinfarkt.
  • In akuten Situationen, wie akuter Thrombose oder akutem Gefäßverschluss, wirkt Interferon zu langsam und andere Therapieoptionen sollten in Betracht gezogen werden.
  • Bei der Dosierung von Interferon empfiehlt Prof. Griesshammer, mit einer niedrigen Dosis zu beginnen und sie bei Bedarf langsam zu erhöhen. Je höher die Dosis, desto wahrscheinlicher treten Nebenwirkungen auf.
  • Unter Interferon können zu Beginn der Therapie grippeähnliche Symptome als Nebenwirkung auftreten. Hier kann Paracetamol eingesetzt werden, um diese zu lindern.
  •  Nebenwirkungen sollten eng überwacht und mit den Patienten besprochen werden. In der Regel nehmen sie im Laufe der Zeit ab, und bei Absetzen des Medikaments verschwinden sie oft.
  • Die individuelle Anpassung der Dosis und die Abwägung von Wirkung und Nebenwirkungen sind entscheidend. Bei Auftreten von Nebenwirkungen kann eine Reduzierung der Dosis erwogen werden.
  • Mögliche Nebenwirkungen von Interferon, die als schwerwiegend erachtet werden, sind Schilddrüsenprobleme, Autoimmunphänomene und depressive Verstimmungen.
  • Die regelmäßige Überwachung der Symptome und des Blutbildes sowie die Dokumentation der Wirkung und Nebenwirkungen sind wichtig.
  • Bei guter Kontrolle der Symptome und des Blutbildes durch Interferon kann eine Reduzierung der Dosis oder eine Verlängerung der Intervalle in Betracht gezogen werden.

Insgesamt wird betont, dass die Behandlung individuell angepasst werden muss und eine sorgfältige Überwachung der Nebenwirkungen erforderlich ist. Die Entscheidung für eine bestimmte Therapie basiert auf klar definierten Kriterien und erfordert eine Abwägung von Risiken und Nutzen.

Interferone/BESREMi® im Detail
Prof. Reiter spricht über die Vorteile der regelmäßigen Messung der "Allel-Last" bei der Interferon-Therapie. [Anmerkung der Redaktion: mit „Allel-Last“ ist gemeint, wie viele Zellen im Blut die JAK2V617F-Mutation aufweisen] Er ist der Meinung, dass eine Reduktion der Allel-Last langfristige Vorteile für die Patienten haben kann. Abhängig von der Therapiedauer und dem Ansprechen ist es vielleicht auch möglich, die Interferon-Therapie zu pausieren.

Prof. Griesshammer fragt, wie die Allel-Last bestimmt wird. Prof. Reiter erklärt, dass dies einfach im Blut nachzuweisen ist.
Beide Experten diskutieren auch den frühen Einsatz der Interferon-Therapie. Dies kann möglicherweise auch die Entwicklung einer Fibrose verzögern. Sie betonen, dass immer der individuelle Nutzen und die Risiken abgewogen werden müssen. Ebenso sollte diese Entscheidung immer in Absprache mit dem Patienten getroffen werden.

Prof. Reiter erwähnt, dass keine Langzeitnebenwirkungen von Interferon bekannt sind und dass es wichtig ist, die individuelle Lebenserwartung und Lebensqualität der Patienten zu berücksichtigen. Beide Experten betonen, dass die Therapie-Entscheidungen sehr individuell getroffen werden sollten.

Kombinations- und Folgetherapien
Zudem diskutieren die Experten die Möglichkeit der Kombinationstherapie mit anderen Medikamenten, insbesondere zur Behandlung von erhöhten Thrombozytenzahlen oder bei der Umstellung auf ein anderes Medikament. Beide Experten sind sich einig, dass eine Kombinationstherapie unter bestimmten Voraussetzungen oder zumindest zeitweise eine Option darstellen kann. Des Weiteren diskutieren sie, wann welches Medikament eingesetzt werden sollte. Prof. Reiter spricht von einer sequentiellen Therapie, wobei er den verschiedenen Medikamenten einen Stellenwert einräumt.

Insgesamt diskutieren die Experten verschiedene Aspekte der zytoreduktiven Therapie (Interferon, Hydroxyurea und Ruxolitinib) und betonen die Bedeutung der individuellen Anpassung der Behandlung an den jeweiligen Patienten.

AOP Health ist der europäische Pionier im Bereich integrierter Therapien für seltene Erkrankungen und Intensivmedizin und setzt sich für die Verbesserung der Aufklärung über seltene chronische Erkrankungen ein.

 

Vielfach fehlen den betroffenen Patient*innen grundlegende Informationen zu ihrer Situation und den verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten. Mit einer Online-Sprechstunde zur Seltenen Erkrankung Polycythaemia vera gibt AOP Health Betroffenen die Möglichkeit, ihre individuellen Fragen an erfahrene Experten auf dem Fachgebiet der myeloproliferativen Erkrankungen zu stellen. Weitere Information zum Krankheitsbild von seltenen Erkrankungen (myeloproliferative Neoplasien) finden Sie unter https://mpn.network.